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Ärger, Streit und Diskussionen beginnen manchmal bereits bei der Beschreibung des Sachverhalts. Woran das liegt? Weil Menschen einen Sachverhalt unbewusst in Form einer Meinung wiedergeben. Und gerne hat der andere dann eine andere Meinung. Und so diskutieren wir nur scheinbar um Sachverhalte.

Um Sachverhalt und Meinung auseinanderhalten zu können, hilft es eine Beobachtung von einer Bewertung oder Interpretation trennen zu können.

Was bedeutet Interpretation? Und was Bewertung?

Hier habe ich Wikipedia zurate gezogen:

  • Eine Interpretation bedeutet im allgemeinen Sinne das Verstehen oder die subjektiv, als plausibel angesehene Deutung von etwas Gegebenem oder wenigstens von etwas Vorhandenem. Übersetzt bedeutet Interpretation u.a. Auslegung, Auffassung, Darstellung, Deutung und Erklärung.
  • Eine Bewertung (Werturteil) drückt die mehr oder weniger positive oder negative Auszeichnung aus, die in der Stellungnahme einer Person bezüglich eines mehr oder minder genau bestimmten Objekts enthalten ist. Sie geht häufig einher mit der mehr oder minder ausdrücklichen Erwartung und/oder Aufforderung an Dritte, dieselbe Wertung als hinreichend gerechtfertigte mitzuvollziehen.

In beiden Fällen sehe oder beschreibe ich etwas, dass der andere ganz anders sehen oder beschreiben kann. Aufhorchen lies mich, dass im Falle einer ausgesprochenen Bewertung ich davon ausgehe, dass der andere meine Wertung als gerechtfertigt ansieht. Hier greift für mich wieder der Spruch: „Erwartungen sind einseitige Verträge, von denen der andere nichts weiß“.

Wie wir Interpretieren oder Bewerten hängt maßgeblich davon ab, wie wir aufgewachsen sind, welche Erfahrungen wir gemacht haben oder was wir gelernt haben darüber, wie die Welt funktioniert oder was wir meinen, was richtig und falsch ist.

Und was ist jetzt eine Beobachtung?

Die Beobachtung ist eine wertfreie Beschreibung/Wahrnehmung im Außen. Alles was ich faktisch mit den Sinnen wahrnehmen kann: Hören, Sehen, Riechen, Fühlen oder Schmecken.

Meine Aufmerksamkeit ist auf die Tatsache, das Geschehen oder die Fakten gerichtet, die objektiv für alle Personen gleich sind. Eine zweite Person würde dieses genau so beschreiben und wahrnehmen können, wie ich es tue.

Wenn ich etwas beschreibe und der andere sagt: „Stimmt, so ist es!“, handelt es sich um eine gemeinsame Beobachtung. Wenn Sie prüfen möchten, ob Ihre Beobachtung wertfrei ist, lässt es sich, auch mit der Frage prüfen: Kann der andere noch sagen: „Das stimmt nicht“. Gerade in kritischen Situationen Ich tue mich damit leichter.

Was heißt das jetzt im Alltag?

Die Herausforderung besteht darin, sich selbst einfachster Bewertungen auf sprachlicher Ebene bewusst zu werden. Bereits wenn ich davon spreche, jemand sei groß, kann es sich für meinen Gesprächspartner ganz anders darstellen.

Jens misst 2,05 m. Es werden wenig Menschen Widerstände in der Bewertung groß haben, da es eine allgemeine Durchschnittsgröße gibt die als „normal“ empfunden wird. In meiner Familie sind viele der Männer rund um die 1,90 m. Damit bin ich aufgewachsen. Jens ist für mich nur ein wenig länger als das für mich Gewohnte.

Ich selbst bin 1,70 m und empfinde mich als klein (bezogen auf die Länge in meiner Familie, in der Frauen um die 1,80 m sind). Wohingegen ich von anderen gern als große Frau beschrieben werde. Was ist denn jetzt groß? Mein Verständnis von groß in Bezug auf Körperlänge wird ein ganz anderes sein, als das anderer Menschen.

Spannend finde ich zu entdecken, dass dies selbst im Kleinen zum Missverstehen oder –Missstimmungen führen kann. So geschehen, als ich meine Feststellung gegenüber einer Freundin äußerte, dass sie einen kleinen Mann geheiratet hat und sie empört reagierte.

Die Bewertung verhindert in dem Augenblick mit dem anderen in Verbindung zu bleiben. Es stellt sich etwas Trennendes zwischen mich und mein Gegenüber. Als Glück lässt es sich beschreiben, wenn der andere mit Ärger oder Frust reagiert – sprich seinen Unmut mitteilt – sodass ich eine Chance habe, darauf aufmerksam zu werden. Andernfalls werde ich vielleicht stillschweigend in die „Tüte rücksichtslos“ gesteckt.

Das Bewusstsein, über die die kleinen Worte und der Tatsache, dass jeder auf Basis seiner Erfahrung bewertet hilft mir offen zu bleiben. So habe ich Klarheit: Der andere hat eine andere Lebens- und Erfahrungsbrille auf, mit der er in die Welt blickt, weshalb er an dieser Stelle auch andere Worte verwendet.

Daher ist es wichtig im ersten Schritt, eine gemeinsame Realität herzustellen, zu der der andere keine andere Meinung mehr hat oder sagen könnte: „Das stimmt so nicht.“

Ihr Mann ist 1,81 m – so einfach wäre es gewesen.

Hier noch drei weitere Beispiele. Ich lade Sie ein, sich vorzustellen, wie diese Sätze zu Ihnen gesagt werden und darauf zu achten, welchen Unterschied das für Sie macht.

„Du bist zu spät.“  oder  „Es ist 15 Minuten nach der vereinbarten Zeit.“

„Sie sitzt viel vor dem Fernseher“ oder  „Sie hat drei Stunden ferngesehen.“

„Du hast gerade Deinen Sohn kritisiert.“ oder „Du hast gerade zu deinem Sohn gesagt: “Das ist wirklich nicht in Ordnung.”

Nachspüren, was wäre das, wo Sie weniger Widerstand spüren, wenn Sie es hören würden?